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Folgen Sie dem roten Pfeil!

„Folgen Sie dem roten Pfeil!“ Die Stationsassistentin am Krankenhaus Schalter sagt diesen Satz 110 Mal am Tag. So viel Patienten suchen diese Spitalsambulanz auf. Assistentin Irene hält die Leute „einfach für z’deppat, einem roten Pfeil zu folgen“. Nach der Anmeldung am Ambulanz-Schalter muss der Patient dem roten Pfeil folgend vor dem Untersuchungsraum Platz nehmen. 99 gehen laut Irene in die falsche Richtung oder verirren sich in den Gängen des Krankenhauses. Entsprechend genervt reagiert die Stationsassistentin auf Patienten Fragen.

Irenes Job lautet: Den Flaschenhals an der Anmeldung am Durchlaufen halten. Rasch und komplikationsfrei in Zeiten von Personalnotstand und zu langen Wartezeiten. Willkommen in Irenes Welt. Die Welt der 110 Patienten lautet: „Hoffentlich hab‘ ich nichts Ernstes?“; „Was passiert jetzt?“; „Wer holt die Kinder vom Kindergarten ab?“; „Was wird der Chef sagen, wenn ich so lange weg bin?“ Der rote Pfeil verschwimmt angesichts der Sorgen und Ängste.
Es ist ein Clash zweier unterschiedlicher Welten. Und es gibt nur einen einzigen Richtungsweiser, der funktioniert: gute Kommunikation, die die Brücke zwischen der Welt Irenes und der Patienten schlägt.

Im Unterricht angesteckt

Für mich jedes Mal ein Aha-Erlebnis: Emotionen sind auch online ansteckend! Dieses Phänomen hilft mir, wenn ich herausfordernde Kommunikation mit Patienten wie diese Woche für die Uni online unterrichte. Für real life Szenen sorgte Schauspieler Alexander. Und so konnten die Studierenden die bittere Realität des derzeitigen Krankenhaus-Alltags üben: den Umgang mit einem emotionalen Patienten-Tsunami. Nicht, weil Patienten insgesamt böser, oder Ärzte und Pflegekräfte inkompetenter geworden sind, sondern weil das System massiv krankt.

Keimende Kommunikation

Wer kann sich nicht an das Kinderlied erinnern? „Hände waschen, Hände waschen muss ein jedes Kind. Hände waschen, bis sie sauber sind.“

Was passiert, wenn wir als Erwachsene darauf aufmerksam gemacht werden? Wir fühlen uns sofort gemaßregelt. Trigger lass grüßen!

In der Krankenhauswelt zählen mitunter die Regeln der Hierarchie mehr als die der Hygiene: der Ober sticht den Unter. In diesem System Hygienevorschriften aufzuzeigen, ist ein Drahtseilakt in der Kommunikation. Damit passiert es, dass Verstöße von denjenigen, die das Wissen haben, häufig gar nicht angesprochen werden. Die Folge: 66 Prozent aller schweren Zwischenfälle in einem Krankenhaus gehen auf Kommunikationsfehler zurück. Sich als Patient einen Keim im Krankenhaus einzufangen, ist fatal. Viel geredet wird darüber nicht. Der Gesundheitsfonds Steiermark hat‘ s gemacht und ich war dabei. Kommunikativ gerüstet und gut desinfiziert.

Fotocredit: Gesundheitsfonds / Klara Hutter

Ärzte als Feindbild: Gegen Hass im Netz

Das Internet hat den Arzt als Informationsquelle Nummer 1 abgelöst. Gleichzeitig steigt die Zahl jener Ärzt:innen, die Opfer von Drohungen und Beschimpfungen werden. Am Arbeitsplatz deutlich mehr. Die verbale Eskalation im Internet ist hingegen schärfer. Durch die Anonymität des www sinkt die Hemmschwelle. Aus Beschimpfungen werden Gewaltandrohungen, aus möglichen Friends anonyme Hater. „Gegen Hass im Netz“ – danke für eure Initiative liebe Ärztekämmerer!

© ÖÄK/Bernhard Noll

Erste-Hilfe-Koffer zum Selbstschutz

Kommunikation hat 1.000 Gesichter. Wie die diplomierte Pflegekraft aus der Notfallaufnahme in der dunkelblauen Jogging-Jacke, die sich fragt, warum sie sich diesen Job noch weiter antun soll? Wie die erfahrene Wahlärztin, die top gestylt im schwarz-weißen Outfit erscheint. Wie der angehende Facharzt, der bei der Vorstellungsrunde sagt, sein großes Vorbild sei der Primar, der alle Emotionen abprasseln lässt wie Plexiglas. Sie alle wollen in meinen Trainings mehr erfahren.
Mehr erfahren über sich selbst und die Art, wie sie sich geben und sprechen. Und derzeit vor allem eines: Wie sie sich selbst mit guter Kommunikation schützen können. Vor dem unberechenbaren Chef. Vor dem aggressiven Patienten. Vor der Kräfte raubenden Kollegin. Vor frustrierten Mitarbeitern. Es menschelt derzeit gewaltig in meinen Weiterbildungen. Jene Menschen, die aus Berufung Patienten therapieren, pflegen und mit ihnen sprechen sollen, benötigen aktuell selbst 200 Prozent Aufmerksamkeit. Wie ich damit umgehe? Jeder und jedem Einzelnen Aufmerksamkeit und Wertschätzung schenken durch die Kraft der Gruppe und effektiven Kommunikationstechniken. Und damit aufzeigen, dass es einem Patienten, der leidet, genauso geht und was es an Kommunikation braucht, um eine Win-Win Situation für alle Seiten zu schaffen. So schaut’s aus im Gesundheitssystem im 3. Corona-Jahr.

Foto: Robert Herbst

Britta Blumencron