Monthly Archive » April 2020

Kommunizieren in Quarantäne

Was das Coronavirus und ein Kaiser im Mittelalter miteinander gemein
haben und warum es fatal ist, wenn die Ebene der Beziehung wegbricht.

Im Gesundheitsbereich sind die Folgen einer Kommunikation auf Distanz und mit Maske besonders spürbar. Warum? Weil soeben ein wesentlicher
Bestandteil guter Gesprächsqualität kaum vermittelt werden kann: Beziehung herstellen und damit bei Patienten Vertrauen schaffen.

Grausiges Experiment. Vom Virus zum legendären Staufer-Kaiser Friedrich II. Er regierte im 13. Jahrhundert und wollte wissen: Gibt es so etwas wie eine Ursprache auf der Welt? Friedrich ordnete ein Experiment an. Er wollte feststellen, welche Sprache Kinder entwickeln, wenn sie ohne Ansprache und Zuneigung aufwachsen. Die Kleinkinder wurden von Ammen gebadet und bekamen ein Essen. Jeglicher Sozialkontakt aber wurde verwehrt. Sie bekamen keine Ansprache, konnten aus den Gesichtern der Betreuerin keine Mimik ablesen und keine Gestik wahrnehmen.
Das Ergebnis seines Experiments endete tragisch: Alle Kinder starben.
Und jetzt der Sprung vom Mittelalter ins Jahr 2020: Kommunikation im
Gesundheitsbereich findet immer auf 4 Ebenen statt:

Kein Ergebnis ohne Beziehung. Der Ebene der Fachinhalte; der
Gesprächsführung; des Umfelds; und der Beziehung. Auf dieser Ebene lässt sich das schaffen, was für eine erfolgreiche Behandlung so wichtig ist: Vertrauen herstellen.

Als langjährige Kommunikations-Trainerin für Gesundheitsberufe gehe ich so weit zu sagen: Kein Kommunikations-Ergebnis ohne Beziehung und damit Vertrauen!

Alles, was die nonverbale Kommunikation ausmacht, steht mit Corona unter Quarantäne. Wollen wir also weiterhin erfolgreich kommunizieren, müssen wir verschiedene Mittel einsetzen. Bloße Fachinhalte transportieren, wird zu wenig sein. Der Fachinhalt macht nur 7 Prozent des Verstehens einer Botschaft aus. 93 Prozent werden über die Ebene der Beziehung vermittelt. Auch oder gerade in Zeiten von Corona.

Kaiser Friedrich II (eigene Darstellung
Die vier Ebenen der Gesprächsqualität (eigene Darstellung)

Bildquelle Beitragsbild

 

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Bloß keine Angstmache, bitte!

In Inseraten und TV-Spots sehen und hören wir jetzt schon seit mehreren Wochen: „Schau auf dich, schau auf mich“

Einfache Sprache. Die Information ist nach allen Regeln der sogenannten „plain language“, also der einfachen Sprache, gehalten. Das ist wichtig und richtig, wenn man weiß, dass jeder zweite Österreicher,-in Informationen, die für die eigene Gesundheit relevant sind, nicht versteht.

Gesundheitsinformationskampagnen sind zumeist darauf ausgerichtet, das Verhalten einer Zielgruppe zu ändern, um damit die Mortalität, also die Sterberate zu reduzieren. Tatsächlich damit erreichen kann man nur acht bis zehn Prozent der Zielgruppe. Allerdings: Ein mäßiger Kampagnen-Effekt zeigt gesundheitspolitisch positive Wirkung, weil die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit spürbar und nachweisbar sind (Public Health Impact).
Faktum ist auch, dass zwei Drittel der gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen von jenen Menschen in Anspruch genommen werden, die sich diese Angebote sonst auch leisten würden.

4 Tipps für erfolgreiche Gesundheitskommunikation. Wie erreichen wir also in Zeiten von COVID-19 möglichst viele Menschen mit Präventions-Infos und nicht nur Menschen mit höherem Einkommen und höherer Bildung? Die Bundesregierung zeigt es gerade vor.

  1. Faktenorientierte Infos in kleinen Portionen und in einfacher Sprache
  2. Ein Angebot an konkreten Maßnahmen, zb gratis Nasen-Mund-Schutz
    Masken in den Supermärkten und Drogerien.
  3. Realistische Ziele setzen, zb 1 Meter Mindestabstand halten.
  4. Hilfreich sind bestärkende Botschaften, neue Informationen und die
    Verbreitung über audiovisuelle und multiple Kanäle (social media; Print; TV; Radio)

Auf angstmachende Botschaften sollten wir auch weiterhin verzichten. Diese bewirken mehr Abwehr als Akzeptanz. Und in Zeiten, wo die Menschen sich fast schon mehr um ihren Job als um ihre persönliche Gesundheit Sorgen machen müssen, sind einfache Fakten wichtiger als Angstmache.

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Kompliziertes einfach erklären

Weil jeder einzelne von uns jetzt als Botschafterin und Botschafter in Sachen Corona-Bekämpfung gefragt ist, ist es wichtig zu wissen, wie man Gesundheitsinformationen richtig vermittelt.

Im Chinesischen setzt sich das Wort Krise aus 2 Schriftzeichen zusammen:
Gefahr und Gelegenheit. Ich beobachte eine Gelegenheit in der Krise. Die
Regierung vermittelt in Inseraten und Spots wichtige Gesundheitsinformationen, die in Zeiten von Corona Leben retten können,
einfach und damit verständlich.

Tatsächlich muss jetzt mit der medizinischen Expertensprache Schluss sein,
wenn es darum geht, die Bevölkerung für eine erfolgreiche Prävention mit ins Boot zu holen.

Wir sind alle Helden und Heldinnen, wenn es darum geht, wichtige
Gesundheitsinformationen zu transportieren. Warum?

Werde Gesundheits-Botschafter!

Weil jeder einzelne von uns derzeit als Botschafterin und Botschafter in Sachen Corona-Bekämpfung gefragt ist.
Diese Aufgabe können wir als Gesellschaft nicht allein jenen überantworten, die an vorderster Front in den Krankenhäusern und Ordinationen stehen.

Mit diesen 6 Tipps…

…kannst DU und können SIE Kompliziertes einfach erklären und damit Gesundheits-Expertin bzw. Experte für Freunde und Verwandte sein:

  • Holen Sie Ihr Gegenüber dort ab, wo er/sie steht. So werden Sie zb ihrer Oma, die bettlägrig im Pflegeheim liegt, am Telefon nicht alle Corona-Verhaltensregeln im Supermarkt aufzählen, sondern abklären, was sie schon weiß, damit das Virus sie nicht erwischt.
  • Vermeiden Sie Fremdwörter und Fachausdrücke. Wenn: Erklären Sie bitte, was dieser oder jener Fachausdruck bedeutet.
  • Verwenden Sie kurze Sätze und einfache Wörter. Stellen Sie sich einfach vor, Sie erklären die Sachlage einem guten Freund.
  • Teilen Sie die Information in kleinen Portionen. Meine Faustregel für Sie: Weniger ist mehr!
  • Was hilft: Das Verwenden von Kategorisierungen (z.B. “Es gibt 3 Punkte, die wichtig sind, wenn wir uns nicht anstecken wollen: Erstens, xxxx…”)
  • Wiederholungen und Zusammenfassungen verstärken Ihre Information.

Damit Wichtiges gemerkt wird.

Im Medizinbereich können sich Menschen zumeist nur zu 50 bis maximal 60% an die Informationen erinnern, die sie zuvor bekommen haben. Nützen wir also die Gelegenheit und werden wir Alle Profis im Vermitteln von Gesundheitsinformationen.

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Schau mir in die Augen, Kleines

Über Wirkung und Nebenwirkung der gesetzlichen Maskenpflicht wird derzeit nicht geredet. Tatsache ist, dass das Tragen von Schutzmasken massive Auswirkungen darauf hat, wie ÄrztInnen und Pflegekräfte mit Patienten kommunizieren.

Dieser Regierungsbeschluss ist einmalig in der Geschichte der II. Republik: In Österreich herrscht ab Woche 3 der Coronavirus Gesetze Maskenpflicht in Supermärkten, Drogerien und Drogeriemärkten. Im Gesundheitsbereich ist das Tragen von Atemschutzmasken für Gesundheitsfachkräfte aufgrund Covid-19 schon länger eine Frage der persönlichen Sicherheit.

Über Wirkung und Nebenwirkung dieser gesetzlichen Maßnahme wird derzeit nicht geredet. Tatsache ist, dass das Tragen von sogenannten „MNS“ (Mund-Nasen-Schutzmasken) oder professionellen Atemschutzmasken mit höherer Schutzklasse massive Auswirkungen darauf hat, wie ÄrztInnen und Pflegekräfte mit Patienten kommunizieren. Denn mit dem Tragen einer Maske, die das halbe Gesicht bis auf die Augenpartie bedeckt, fällt ein wesentlicher Bestandteil zwischenmenschlicher Kommunikation weg.

Gerade in der Medizin braucht es Vertrauen zwischen den behandelnden und betreuenden Gesundheitsfachkräften einerseits und dem Patienten andererseits. Vertrauen als medizinischer Mörtel sozusagen. Aus Studien wissen wir, dass Vertrauen über die Kommunikations-Ebene der Beziehung und nonverbalen Sprache hergestellt wird.

Wie also gesund kommunizieren in Zeiten der Maskenpflicht?

  • Stellen Sie sich mit Namen vor und was Ihre genaue,-r Funktion / Bereich ist.
  • Reden Sie langsamer, lauter und noch deutlicher, als sonst üblich.
  • Setzen Sie auf eine Stärke, die Ihnen auch kein Virus dieser Welt nehmen kann: Auf den Augenkontakt mit Ihrem Gegenüber. In die Augen blicken öffnet den Kanal, um Empathie zu zeigen und wahrzunehmen.
  • Und schließlich sind da noch unsere Arme als Werkzeuge nonverbaler Sprache. Eine offene Armhaltung signalisiert das, was es ist, nämlich Offenheit und die Einladung, hier zu bleiben. Verschlossene Arme zeigen dem Gegenüber hingegen: Achtung, nicht willkommen!

Die internationale Fachwelt ist sich  inzwischen einig, dass Kommunikation eine klinische Fähigkeit in der Medizin ist. Somit ist die nonverbale Kommunikation kein „nice to have“, sondern ein tatsächliches „need to have“ im Umgang mit Patienten. Schließlich wird eine Botschaft zum überwiegenden Teil auf dieser Ebene wahrgenommen.
Lassen Sie uns also im Gesundheitsbereich auf unsere persönlichen Kommunikations-Stärken setzen. Auf die kommt es genauso an. Im Krisen-Zustand und im Normal-Betrieb.

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Britta Blumencron